Redaktionsgruppe: Taras Woznjak (Herausgeber) |
Unabhängige Kulturzeitschrift «Ï»
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Dieses Heft erschien in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin) |
INHALT
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Sofia Onufriw: Vorwort zu Journal 17 «GENDER STUDIES» Der Feminismus ist tot – wage ich an der Jahrtausendwende zu behaupten. Und das macht mich traurig. Der Weltfeminismus verfügt über ein breites Spektrum, hier finden wir alles – vom radikalen Feminismus, der für die Vernichtung der Männer plädiert (ich erinner an das berühmt-berüchtigte Manifest von Valerie Solanas) über den liberalen Feminismus bis hin zu den kirchlichen Frauenorganisationen, die auch als feministisch gelten im weiteren Sinne des Wortes. Die Situation in der Ukraine entspricht der Redensart: « man hat etwas läuten gehört, weiß aber nicht, wo die Glocken hängen». Es existieren einige Zentren des theoretischen Feminismus – Kyjiw, Charkiw, Odessa. Sie befassen sich hauptsächlich mit feministischer Theorie und Philosophie, was zweifellos ganz wichtig ist. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine ein paar Hundert Frauenorganisationen verschiedenster Art, die (nach meiner subjektiven Meinung) nicht besonders aktiv sind, keinen Kontakt miteinander haben und in Kampf um Fördermittel gegeneinander konkurrieren. Manchmal beschleicht mich ein leiser Verdacht, die eine oder andere Frauenorganisation könnte nur im Hinblick auf jene Mittel entstanden sein. Man weiss ja auch bei uns, dass im Westen Frauen- und Ökologie-Projekte (noch) Konjunktur haben. Das mag verlockend sein. Ähnliche Missbräuche gibt es wahrscheinlich immer, für uns aber stellt sich nun das Problem, wie sollen wir die Spreu vom Weizen trennen? Oft kennen die Frauenorganisationen kaum das Gegenstand ihrer Forschungen, sie erforschen alles und nichts. Andererseits zählt man zum Feminismus alles, was den Begriff «Frau» enthält. Und schließlich gibt es noch eine Art von sogenannten Frauenorganisationen – Zweigstellen von Männerorganisationen. Es gibt keine charismatische Gestalt, die die Ideen und Sehnsüchte von Frauen verkörpern könnte. Es gibt sie nicht in der Ukraine. Wir haben keine Maßstäbe, wir haben kein Ackerland und es wurde auch nichts gesät. Es fehlen aber auch zur Zeit die Maßstäbe in dern Weltfrauenbewegung. Aber zurück zum ukrainischen Kontext. Die ukrainischen Männer dürfen ruhig schlafen. Ein Matriarchat droht uns noch nicht. Dasr Patriarchat droht uns nicht mehr. Und noch eins: Wenn die Frauen-Feministinnen von den Männern nicht anders als von einem feindlichen Geschlecht reden, frage ich mich, inwieweit sie ehrlich sind. Ich persönlich möchte nicht in einer terra feminea leben. Für mich hat diese Frage eine andere Schattierung. Wir haben es alle nicht leicht in der heutigen Ukraine – weder die Frauen noch die Männern. Vielleicht haben es die Männer sogar zum Teil schwerer. Der Mann, der nicht imstande ist genug Geld zu verdienen, um seine Familie zu ernähren, fühlt sich nicht mehr männlich und erlebt eine Krise der Geschlechter-Identifizierung. Nur gemeinsam können wir etwas ändern und eine Welt bauen, in der wir uns alle gut und komfortabel fühlen werden. Männer und Frauen unterscheiden sich sehr stark voneinander, und erreichen Verständnis nur manchmal und für kurze Zeit, aber sie können ohne einander nicht leben. Anstelle von Konfrontation und Widerstand wählen wir Partnerschaft und Kooperation |