Redaktionsgruppe:

Taras Woznjak (Herausgeber)
Andrij Pawlyschyn
Sofia Onufriw (Kuratorin)
Oksana Kis’ (Kuratorin)
Walter Mossmann
Alla Tatarenko
Jurij Babik
Andrij Kyrtschiw

Unabhängige Kulturzeitschrift «Ï»
17 / 2000
Gender Studies

Dieses Heft erschien in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung(Berlin)

INHALT
 
ukr (PDF 1,5 Mb)
  • Martha Bogachevska  Nationalismus und Feminismus – zwei Seiten derselben Medaille? (auch Engl.)
  • Oksana Kis’  Definition des Feminismus
  • Natalia Tschuchym  Gender und Genderforschungen im XX. Jahrhundert
  • Runder Tisch der Zeitschrift «Wensz».  Neuer Feminismus aus Sicht der Katholiken
  • Miglena Nikolchina  Feminismus und Perspektiven der Liebe
  • Ein Interview von Alice Schwarzer mit Domenika  Domenika. Eine Hure
  • Nadežda Četkovič  Epistolae: Frühling 1999
  • Jasmina Tešanovič  Über die Normalität: die moralische Oper eines politischen Idioten
  • Larysa Harmasch  Lou Salomé – «Der perfekte Freund» und «das absolute Übel» im Leben des Friedrich Nietzsche
  • Wita Susak  Cherchez les femmes à l'Ecole de Paris
  • Erika Jong  Zwanzig falsche Vorstellungen, die für die Frauen typisch sind
  • Manuela Gretkowska  Latin Lover
  • Maria Krywenko  Wellen-Novelle
  • Wolodymyr Jeschkilew  Pathos
  • Nicole-Claude Mathieu  L’Anatomie Politique. Catégorisations et ideologies du sexe
  • Tanja Choma  Hat es in der Ukraine einen Feminismus gegeben?
  • Slawka Walczewska  Persönliche Freiheit. Hausmatriarchat
  • Sergej Kusnezow  Camilla Palja: ein schwarzes Schaf in der Herde des amerikanischen Feminismus
  • Susanne Weingarten, Marianne Wellershoff  Feminismus ohne Frauenbewegung
  • Diane Emdin  Französischer Feminismus
  • Valerie Solanas  Society for Cutting up Men
  • Virginia Woolf  Frauen und Unterhaltungsliteratur
  • Tamara Hundorowa  Die Frau und der Spiegel
  • Nila Zborowska.  Es lebe die Musik!
  • Oksana Kis’  Die Besonderheiten der Einstellung zur Witwe (Anfang XIX - Ende XX Jahrhundert)
  • Jasmina Tešanovič  Anna Karenina in Belgrad
  • Lora Malvi  Visueller Genuss und narrativer Film
  • Dubravka Ugrešič  Wir sind die braven Jungs
  • Olga Tokarczuk  Die Reise der Menschen des Buches
  • Wojciech Eichelberger  Frauenwut
  • Mirijana Bobič Mojsilovič Der Muskel, größer als das Gehirn

Sofia Onufriw: Vorwort zu Journal 17 «GENDER STUDIES»

Der Feminismus ist tot – wage ich an der Jahrtausendwende zu behaupten. Und das macht mich traurig. Der Weltfeminismus verfügt über ein breites Spektrum, hier finden wir alles – vom radikalen Feminismus, der für die Vernichtung der Männer plädiert (ich erinner an das berühmt-berüchtigte Manifest von Valerie Solanas) über den liberalen Feminismus bis hin zu den kirchlichen Frauenorganisationen, die auch als feministisch gelten im weiteren Sinne des Wortes.

Die Situation in der Ukraine entspricht der Redensart: « man hat etwas läuten gehört, weiß aber nicht, wo die Glocken hängen». Es existieren einige Zentren des theoretischen Feminismus – Kyjiw, Charkiw, Odessa. Sie befassen sich hauptsächlich mit feministischer Theorie und Philosophie, was zweifellos ganz wichtig ist. Darüber hinaus gibt es in der Ukraine ein paar Hundert Frauenorganisationen verschiedenster Art, die (nach meiner subjektiven Meinung) nicht besonders aktiv sind, keinen Kontakt miteinander haben und in Kampf um Fördermittel gegeneinander konkurrieren. Manchmal beschleicht mich ein leiser Verdacht, die eine oder andere Frauenorganisation könnte nur im Hinblick auf jene Mittel entstanden sein. Man weiss ja auch bei uns, dass im Westen Frauen- und Ökologie-Projekte (noch) Konjunktur haben. Das mag verlockend sein. Ähnliche Missbräuche gibt es wahrscheinlich immer, für uns aber stellt sich nun das Problem, wie sollen wir die Spreu vom Weizen trennen? 

Oft kennen die Frauenorganisationen kaum das Gegenstand ihrer Forschungen, sie erforschen alles und nichts. Andererseits zählt man zum Feminismus alles, was den Begriff «Frau» enthält. Und schließlich gibt es noch eine Art von sogenannten Frauenorganisationen – Zweigstellen von Männerorganisationen.

Es gibt keine charismatische Gestalt, die die Ideen und Sehnsüchte von Frauen verkörpern könnte. Es gibt sie nicht in der Ukraine. Wir haben keine Maßstäbe, wir haben kein Ackerland und es wurde auch nichts gesät. Es fehlen aber auch zur Zeit die Maßstäbe in dern Weltfrauenbewegung.

Aber zurück zum ukrainischen Kontext. Die ukrainischen Männer dürfen ruhig schlafen. Ein Matriarchat droht uns noch nicht. Dasr Patriarchat droht uns nicht mehr. Und noch eins: Wenn die Frauen-Feministinnen von den Männern nicht anders als von einem feindlichen Geschlecht reden, frage ich mich, inwieweit sie ehrlich sind. Ich persönlich möchte nicht in einer terra feminea leben. Für mich hat diese Frage eine andere Schattierung. Wir haben es alle nicht leicht in der heutigen Ukraine – weder die Frauen noch die Männern. Vielleicht haben es die Männer sogar zum Teil schwerer. Der Mann, der nicht imstande ist genug Geld zu verdienen, um seine Familie zu ernähren, fühlt sich nicht mehr männlich und erlebt eine Krise der Geschlechter-Identifizierung. Nur gemeinsam können wir etwas ändern und eine Welt bauen, in der wir uns alle gut und komfortabel fühlen werden.

Männer und Frauen unterscheiden sich sehr stark voneinander, und erreichen Verständnis nur manchmal und für kurze Zeit, aber sie können ohne einander nicht leben. Anstelle von Konfrontation und Widerstand wählen wir Partnerschaft und Kooperation

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