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Marie Louise Kaschnitz

1001 Nacht

Ich sah den ersten vor dem Kaufhaus Neckermann, den zweiten in der Nähe des Filmtheaters Metro im Schwan, den dritten bei der alten Oper, die jetzt, fünfundzwanzig Jahre nach dem Kriegsende, wiederaufgebaut wird. Der erste hing so hoch, daß man ihn allenfalls für einen dort beschäftigten Fensterputzer halten konnte. Den zweiten sah man jedoch baumeln, der Wind drehte ihn bald zur Wand, bald zur Straße, dann war seine herausgequollene Zunge deutlich zu erkennen. Der dritte hing an einer der alten hübschen Opernlaternen, und so tief, daß die Leute, die zu ihren geparkten Wagen durch den Schnee stampften, ihre Hälse einziehen mußten, um seine nackten Sohlen nicht zu berühren. Sie taten das aber ganz unwillkürlich, sprachen und lachten dabei, außer mir schien niemand zu bemerken, daß es auch in unserer Stadt Gehängte gibt.


N12 / 1998

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