| Anna Rogowska, Stanislaw StepienDie polnisch-ukrainische Grenze in den zurueckliegenden 50 Jahren 
        FUNFZIG JAHRE POLNISCH-UKRAINISCHE GRENZE 
        
 Die derzeitige polnisch-ukrainische Grenze ist nicht historisch gewachsen, 
  und sie wurde auch nicht nach ethnischen Kriterien festgelegt. Zugrunde lagen 
  ihr politische Entscheidungen, die außerhalb Polens und ohne Beteiligung der 
  legalen polnischen Behörden gefasst wurden. 
  Man kann allerdings auch nicht behaupten, ihre Schöpfer hätten die historischen 
  Tatsachen völlig außer Acht gelassen, obwohl sie sich bei der Festlegung des 
  genauen Grenzverlaufs nicht an der nationalen Besiedelung des analysierten polnisch-ukrainischen 
  ethnischen Grenzgebiets orientierten. Als Rechtfertigung dafür mag die Tatsache 
  gelten, dass es sich bei den umstrittenen Gebieten um kein einheitliches Siedlungsgebiet 
  handelte, sondern um ein national gemischtes Gebiet mit einer überwiegend ukrainischen 
  Besiedelung auf dem Land und einer überwiegend polnischen Besiedelung in den 
  Städten. Deshalb ging man bei der Debatte um die damalige polnisch-sowjetische 
  Grenze von vornherein davon aus, daß die Trennung der polnischen und ukrainischen 
  Ethnien durch einen Bevölkerungsaustausch werde stattfinden müssen, also durch 
  die Umsiedlung der Polen aus der sowjetischen Ukraine nach Polen und der Ukrainer 
  aus Polen in die Sowjetukraine. 
   GRENZLAND ZWISCHEN SAN UND ZBRUCZ 
 Die damaligen Entscheidungsträger, die die politische Nachkriegsordnung schufen, 
  waren nicht imstande, sich direkt auf historische Argumente zu berufen, weil 
  die Grenze zwischen dem polnischen und dem ukrainischen Ethnos selbst zur Blütezeit 
  der mittelalterlichen ruthenischen (ruski) Staatlichkeit keinen dauerhaften 
  Charakter gehabt hatte und Informationen über ihren Verlauf nicht nur im gesellschaftlichen 
  Bewußtsein keineswegs verankert, sondern damals einfach überhaupt nicht bekannt 
  waren. Somit berief man sich auf das zu Anfang des 20.Jahrhunderts in den nationalistischen 
  Kreisen beider Völker entstandene Eigentumsgefühl für Heimaterde. 
  Die ukrainische Seite drückte dieses Gefühl mit dem besonders während der 
  Zwischenkriegszeit und im II.Weltkrieg lancierten Slogan Die Lachy über 
  den San! (Lachy synonym für Polen). Gemeint war damit die Vertreibung 
  der polnischen Bevölkerung aus den als ukrainisch betrachteten Gebieten östlich 
  des San auf das westliche Ufer. 
  Die territorialen Ansprüche der polnischen Nationalisten gingen zu dieser 
  Zeit sehr viel weiter. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Städte des umstrittenen 
  Gebiets polnisch dominiert waren, forderten sie, die Ukrainer hinter den 
  Zbrucz! zu werfen, was bedeutet hätte, ganz Ostgalizien polnisch zu belassen. 
  Denn obwohl in weiten Kreisen der polnischen Intelligenz klar war, daß die Gebiete 
  östlich des San und des mittleren Bug zu Zeiten der frühen Staatlichkeit ukrainisch 
  gewesen waren, so reklamierte man diese Gebiete trotzdem für den polnischen 
  Staat, einerseits wegen des großen polnischen Beitrags zu ihrer zivilisatorisch-kulturellen 
  Entwicklung, andererseits aus Gründen der äußeren Sicherheit. Als eine der Hauptzentren 
  des polnischen politischen und kulturellen Lebens sah man die Stadt Lemberg 
  an, die gleich nach Warschau und Krakau kam. 
 Die sowjetischen Ansprüche auf das damals bei Polen verbliebene Territorium 
  Ostgaliziens und Wolhyniens waren schon in der Zwischenkriegszeit erhoben worden. 
  Begründet wurden sie mit der angeblichen Notwendigkeit, die Gebiete der Westukraine 
  mit dem Mutterland, also der Sowjetukraine, zu vereinigen. Da solche Ansprüche 
  aber nach dem Abschluss des Vertrags von Riga, der den polnisch-sowjetischen 
  Krieg beendete, nicht mehr offiziell erhoben werden konnten, wurden sie über 
  die kommunistische Bewegung (die polnische und die internationale) propagiert. 
  Paradoxerweise griffen ausgerechnet die Kommunistischen Parteien in Polen und 
  in der Sowjetunion die ukrainisch-nationalistische Parole Polen über den 
  San! auf und behaupteten, dies sei die Stimme des Volkes, ein uraltes Postulat 
  des ukrainischen Volkes, das nur dann verwirklicht werden könnte, wenn der Arbeiter 
  und Bauern-Staat, also die UdSSR, das ukrainische Volk unter seinen Schutz nähme 
  gegen die Unterdrückung durch das Polen der Gutsherren Praktisch wurde 
  dieses Postulat dann verwirklicht im Jahre 1939, als die Rote Armee ohne vorherige 
  Kriegserklärung die östlichen Gebiete der Zweiten Polnischen Republik unter 
  Berufung auf den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 23.8.1939 (Molotow-Ribbentrop-Pakt) 
  besetzte. Die damals festgelegte Grenze zwischen der Ukrainischen Sozialistischen 
  Sowjetrepublik und dem deutschen Generalgouvernement folgte zu weiten Teilen 
  dem San von seiner Quelle bis zu seinem Mittellauf. 
 DIE WIEDERKEHR DER CURZON-LINIE
 Als 1944 die Grenzfrage zwischen Polen und der UdSSR erneut auf die Tagesordnung 
  der Entscheidungsträger in Moskau kam, wurde bald klar, daß der Grenzverlauf 
  von 1940/41 nicht einmal für die polnische Vasallen-Regierung und erst recht 
  nicht für die polnische Gesellschaft akzeptabel sein würde. Deshalb berief man 
  sich auf das Projekt von 1919, die sogenannte CURSON LINIE. Allerdings war damals 
  die CURSON-LINIE gar nicht als Grenze entworfen worden, sondern als Demarkationslinie 
  des Obersten Rates der Entente, die es Polen erlauben sollte, in den Gebieten 
  westlich der Linie eine normale Zivilverwaltung aufzubauen, während der Aufbau 
  im Osten noch von weiteren Entscheidungen des Rates je nach Entwicklung der 
  politischen Lage abhing. Außerdem hatte die CURZON-LINIE in ihrem südlichen 
  Teil zwei Varianten, die sogenannte Linie A, die 80 km westlich von Lemberg 
  verlief und Przemysl auf der polnischen Seite ließ, und die Linie B, die nicht 
  nur Lemberg, sondern auch das Bergbaugebiet von Boryslaw und Drohobycz Polen 
  zuschlug. 
  Bekanntlich hat in den Jahren 1919-1921 die CURZON-LINIE für die Festlegung 
  der polnischen Ostgrenze letztlich dann doch keine Rolle gespielt, aber in den 
  Jahren 1942-45 kam sie wieder auf und wurde zu einem ernsthaften Argument für 
  die Moskauer Entscheidungsträger. Diesmal wurde allerdings die Linie A, also 
  die für Polen weniger vorteilhafte Variante, gewählt, was keiner weiteren Debatte 
  unterlag. Erstmals brachte die UdSSR im Jahr 1942 die Frage der polnischen Ostgrenze 
  in Gesprächen mit Großbritannien aufs Tapet. Im selben Jahre kommt sie dann 
  auch bei den polnisch-sowjetischen Verhandlungen zur Sprache. Trotz der polnischen 
  Proteste beharrte die sowjetische Seite auf dem Standpunkt, dass die 1939 besetzten 
  Gebiete an die Sowjetunion gehen sollten. Allerdings berief man sich nicht mehr 
  auf den Molotow-Ribbentrop-Pakt, sondern auf das Selbstbestimmungsrecht des 
  weißrussischen und des ukrainischen Volkes und die Plebiszite vom Oktober 1939. 
  Die polnischen Proteste halfen nicht viel, und im folgenden Jahr kam es auf 
  sowjetischen Druck zu einem britisch-amerikanischen Geheimabkommen, in dem die 
  Großmächte das Recht der Sowjetunion anerkannten, Litauen, Lettland, Estland 
  und die Ostgebiete Polens in ihren Staatsorganismus einzugliedern. 
 Die militärischen Erfolge der UdSSR von 1943 führten dazu, daß Großbritannien 
  und die Vereinigten Staaten gegenüber den sowjetischen Forderungen immer nachgiebiger 
  wurden, was dann bei der Konferenz von Teheran voll ans Licht kam. Dort wurde 
  in den Grundzügen auch der Verlauf der polnisch-sowjetischen Grenze (auch der 
  ukrainische Abschnitt) festgelegt, wobei man von der CURZON LINIE ausging. Im 
  Schlussdokument wurde allerdings nicht exakt definiert, ob Linie A oder Linie 
  B gelten sollte, womit den unterschiedlichen Interpretationen über die Zukunft 
  Lembergs Tür und Tor geöffnet waren. Die Teheraner Entscheidungen wurden weder 
  vollständig veröffentlicht, noch wurden sie der polnischen Regierung auf offiziellem 
  Weg übermittelt, was dieser eine realistische Politik gegenüber der UdSSR erschwerte. 
 Die britische Regierung setzte die polnische Exil-Regierung mehrfach unter 
  Druck, um ihr eine Zustimmung zur CURZON-LINIE abzuringen. Dabei bediente man 
  sich auch der Argumentation, diese Linie sei doch für Polen sehr viel vorteilhafter 
  als jene Grenzlinie, die nach der Besetzung der polnischen Ostgebiete durch 
  die Sowjetunion im Jahr 1939 gezogen worden war. Außerdem erhalte Polen ja zum 
  Ausgleich die Westgebiete bis zur Oder-Neiße-Linie. Die polnische Regierung 
  widerstand dem Druck. Sie konnte diese Vorschläge nicht annehmen, und sei es 
  auch nur mit Rücksicht auf die eigene Regierungskoalition, die von den zu Zugeständnissen 
  bereiten Sozialisten bis zu den Nationaldemokraten reichte, die nun ganz entschieden 
  das Prinzip der territorialen Unversehrtheit Polens verteidigten. Auch musste 
  man mit der herrschenden Meinung bei der polnischen Bevölkerung im besetzten 
  Polen rechnen, einer Bevölkerung, die großenteils auf Territorien außerhalb 
  der für ein befreites Polen geplanten Grenzen lebte und die nicht bereit sein 
  würde, Änderungen der Ostgrenze zuzustimmen. 
  Die Geschichte fügte es aber, daß der polnischen Haltung bald keinerlei internationale 
  Bedeutung mehr zukam, denn der britische und amerikanische Druck nahm zu, die 
  Rote Armee rückte vor und marschierte in früheres polnisches Gebiet ein. Zudem 
  begann man auf Inspiration von Moskau  zuerst in der UdSSR, dann auch im besetzten 
  Polen  mit der Gründung von politischen Institutionen, die ohne Vorbehalt bereit 
  waren, den sowjetischen Standpunkt in der Frage der polnischen Ostgrenze zu 
  unterstützen. Dazu gehörten ganz zu Anfang: 
  die seit 1942 im Land aktive Polnische Arbeiterpartei, 
  der 1943 in Moskau entstandene Bund der polnischen Patrioten, und 
  die Führung der an der Seite der Roten Armee kämpfenden Polnischen Volksarmee. 
 Sie gründeten 1944, ermutigt von Stalin und den der Sowjetunion gegenüber loyalen 
  Parteien, zunächst eine politische Vertretung in Gestalt des Landesnationalrats, 
  aus dem ein selbsternanntes Exekutivorgan hervorging, das Polnische Komitee 
  der nationalen Befreiung (PKWN), das von den Kommunisten als polnische Volksregierung 
  behandelt wurde. Dieses Komitee verhandelte dann zwischen dem 22. und dem 27. 
  Juli 1944 offiziell mit der sowjetischen Seite über die polnische Ostgrenze. 
  Nach einigen Verhandlungsrunden wurde ihr Verlauf vereinbart. Im ukrainischen 
  Bereich sollte sie vom Fluß San östlich der Siedlung Myczkowce, weiter östlich 
  von Przemysl und westlich von Rawa Ruska zum Fluß Solokija und zum westlichen 
  Bug nach Niemirow und weiter führen. 
  Es muss betont werden, daß diese Übereinkunft zwischen dem Komitee und der 
  sowjetischen Regierung letztendlich und definitiv über den Verlauf der polnischen 
  Ostgrenze entschied. Trotz späterer Verhandlungen zwischen der legalen polnischen 
  Exil-Regierung in London mit der sowjetischen Regierung, der Konferenz von Jalta, 
  dem Kriegsende und der Potsdamer Konferenz  diese Grenze unterlag keinen wesentlichen 
  Verhandlungen mehr. 
 Die polnische Regierung in London und die Bevölkerung in Polen selbst akzeptierten 
  sie allerdings überhaupt nicht und zogen auch ihre rechtliche Gültigkeit in 
  Frage, indem sie darauf hinwiesen, dass die Grenzvereinbarung unter Moskauer 
  Diktat zustande gekommen sei. Man betrachtete dies als Versklavung des polnischen 
  Volkes und als Missachtung der legalen polnischen Behörden. Doch die militärischen 
  Erfolge der Roten Armee und die volle Unterstützung, die Stalin von Seiten Churchills 
  und Roosevelts genoss, hatten zur Folge, daß sich niemand um die polnischen 
  Proteste kümmerte, umso mehr, als die von der sowjetischen Armee befreiten Gebiete 
  der Verwaltung des PKWN unterstellt wurde. 
 Der Premierminister der polnischen Exilregierung, Stanislaw Mikolajczik, ständig 
  von Churchill unter Druck gesetzt, sah sich also gezwungen, eine Verständigung 
  mit Stalin zu suchen. Er akzeptierte zwar die CURZON-LINIE im nördlichen und 
  im mittleren Abschnitt, kämpfte aber immer noch um eine andere Grenzregelung 
  im Süden, die Lemberg auf der polnischen Seite belassen würde. Im Lande selbst 
  versuchte man, auf die Grenzziehung mit dem Warschauer Aufstand und mit 
  der Akcja Burza (Aktion Gewitter) Einfluß zu nehmen. Beide Aktionen 
  sollten die Exil-Regierung stärken. Leider aber entschied schließlich über den 
  weiteren Lauf der Dinge einerseits das Scheitern beider Aktionen, andererseits 
  die Zustimmung der britischen Regierung zur CURZON-LINIE. 
 So kam dann also auf der Jalta-Konferenz der drei Großmächte, die vom 4. bis 
  zum 11.Februar 1945 (ohne polnische Teilnahme) stattfand, die offizielle internationale 
  Zustimmung zur CURZON-LINIE zustande. In dem Communiqué, das nach Abschluss 
  der Konferenz veröffentlicht wurde, heißt es: ...die Ostgrenze Polens sollte 
  entlang der Curzon-Linie verlaufen, wobei in bestimmten Bereichen von dieser 
  Linie fünf bis acht Kilometer zum Vorteil Polens abgewichen werden kann. 
  (Selbstverständlich handelt es sich dabei um die Linie A, die Lemberg auf die 
  Seite der UdSSR schlug.) 
  Diese Beschlüsse wurden auch auf der Konferenz von Potsdam nicht mehr geändert, 
  und auf der bilateralen Konferenz in Moskau wurde der polnisch-sowjetische Grenzvertrag, 
  der den Verlauf der gemeinsamen Grenze definierte, am 16.August 1945 unterschrieben. 
  Ratifiziert wurde dieser Vertrag zuerst von der UdSSR und erst danach, am 31.Dezember 
  1945, vom selbsternannten polnischen Landesnationalrat, der über keinerlei verfassungsrechtliche 
  Legitimität verfügte. Wie es den damaligen Gebräuchen entsprach, wurde der Vertrag 
  einstimmig und ohne Debatte verabschiedet. Und da man wusste, daß diese Grenze 
  unter den damaligen Bedingungen niemals vom polnischen Volk akzeptiert werden 
  würde, verzichtete man von vornherein darauf, sie überhaupt öffentlich zur Debatte 
  zu stellen, obwohl es doch im Stalinismus kein Problem gewesen wäre, Wahlen 
  und Abstimmungen beliebig zu fälschen. In einem sogenannten Volksreferendum 
  wurde dann im Jahre 1947 nur die Westgrenze zur Abstimmung gestellt. 
 DIE NORMATIVE KRAFT DES FAKTISCHEN 
 Nach der Ratifizierung des Grenzvertrags wurde eine gemeinsame polnisch-sowjetische 
  Delimitierungs-Kommissions gebildet, die in der Zeit vom 7.März 1946 bis zum 
  27.April 1947 den genauen Grenzverlauf im Grenzgebiet festsetzte. Dabei wurden 
  nur kleine Korrekturen an dem in Moskau beschlossenen Projekt vorgenommen. Bis 
  1951 blieb diese Grenze am ukrainischen Abschnitt unverändert. Am 15.Februar 
  1951 wurde dann vertraglich ein Gebietsaustausch festgelegt, d.h. Polen wurde 
  gezwungen, 480 Quadratkilometer des sogenannten Bug-Knies abzugeben, also eines 
  Gebiets auf dem linken Bug-Ufer, westlich von Sokal zwischen Solokija und dem 
  Bug. Im Gegenzug erhielt Polen ein Territorium gleicher Größe in der Region 
  der Bieszczady mit der Kleinstadt Ustrzyki Dolne. Grund für den Gebietsaustausch: 
  Auf dem (vormals) polnischen Gebiet waren Steinkohlevorkommen entdeckt worden. 
  Nach dem Tausch errichtete die Sowjetunion dort einige Steinkohlegruben mit 
  einer jährlichen Förderquote von ca. 15 mio Tonnen. Außerdem gab es dort fruchtbaren 
  Ackerboden. Polen dagegen erhielt eine Gebirgsgegend mit schlechtem Ackerboden 
  und bereits ausgebeuteten Ölvorkommen. Mit der Zeit  d.h. in dem Maße, wie 
  die Region bewirtschaftet wurde  erwies sich das Gebirge allerdings als attraktiv 
  für den Tourismus, und zudem entstand ein großes Staubecken nebst Wasserkraftwerk 
  am San bei Solina... 
 Wie sieht nun die polnisch-sowjetische Grenzziehung aus der Sicht des polnischen 
  Rechts aus? Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Grenze in den ersten Nachkriegsjahren 
  Polen aufoktroyiert worden ist. Voll akzeptiert hat sie nur das illegale Regime, 
  während die polnische Bevölkerung einige Zeit brauchte, um sich daran zu gewöhnen. 
  Die Akzeptanz nahm sichtlich zu, obwohl dieser Prozess langsam verlief, begleitet 
  von verschiedenen positiven und negativen Erscheinungen: 
 1. Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Moskauer Regime, das in der Grenzfrage 
  unterstützt wurde von Großbritannien und den USA. 
 2. Die internationale Anerkennung der prosowjetischen Vasallenregierung in 
  Polen, die sich zu der neuen Grenze bekannte. 
 3. Der Bevölkerungsaustausch, der das Problem einer großen polnischen Minderheit 
  in der Ukraine gegenstandslos machte. 
 4. Die in den ersten Nachkriegsjahren beginnende Propaganda des Regimes, das 
  versuchte, die Ukrainer als Erbfeinde Polens und Urheber von Massenmorden an 
  Polen im II.Weltkrieg darzustellen. Die polnische Bevölkerung, die unter Ukrainern 
  lebte, habe sich ja doch schon immer unsicher gefühlt, weil die Ukrainer sich 
  im Kampf um ihr vermeintlich eigenes Territorium mit den Feinden Polens verbündet 
  hätten, und sie würden es den Polen niemals verzeihen, sollte Lemberg einmal 
  wieder zu Polen gehören. 
 5. Der Erziehungsprozess in den Schulen und Massenmedien, der versuchte, die 
  auf der ukrainischen Seite verbliebenen Gebiete als historisch authentisch ukrainisch 
  zu zeigen. Dieses Argument verband sich meist mit dem Hinweis auf die positiven 
  Folgen, die mit dem Gebietsausgleich im Westen und im Norden einhergingen. Man 
  sprach von der Heimkehr in alte piastische Gebiete. Häufig bediente 
  man sich auch ökonomischer Argumente: So wurde z.B. auf die Rohstoffarmut und 
  die schlechte Bodenqualität im Osten hingewiesen und gleichzeitig der große 
  wirtschaftliche Wert der West und Nordgebiete hervorgehoben, die reichen Steinkohlevorkommen 
  in Schlesien, der Zugang zum Meer. Gelegentlich wurde auch angemerkt, daß die 
  Grenzen dank der Neuregelung sicherer geworden seien. So kam z.B. die Rede auf, 
  Polen habe nun endlich Grenzen, die auf natürlichen geographischen Fakten beruhten: 
  Das Riesengebirge und die Karpathen, die Flüsse Oder und die Lausitzer Neiße, 
  und die Ostsee. 
  Eine große Bedeutung für die steigende Akzeptanz der polnisch-ukrainischen 
  Grenze in der polnischen Gesellschaft hatten der Dialog und die Kontakte zwischen 
  der polnischen und der ukrainischen Diaspora im Westen. Eine gewisse Rolle spielten 
  dabei auch die Kontakte der Intellektuellen, die Veröffentlichungen der Pariser 
  Zeitschriften Kultura und Zeszyty Historyczne, sowie einige Sendungen 
  von Radio Free Europe. Ende der 70er Jahre kam es auch zu Kontakten der 
  polnischen mit der ukrainischen Exilregierung. Beide Institutionen waren zwar 
  international nicht anerkannt und waren nur teilweise funktionsfähig, aber in 
  ihren Ländern besaßen sie bedeutende Autorität. Diese Gespräche führten dann 
  zu einer Erklärung über polnisch-ukrainische Zusammenarbeit, die am 28. November 
  1979 in London unterzeichnet wurde. Das wiederum hatte Auswirkungen auf die 
  demokratische Opposition in Polen, die dann in den 80er Jahren die polnisch-ukrainische 
  Grenze als gerecht und unverrückbar darstellte. Diese Haltung wurde auch bei 
  illegalen Kontakten mit der ukrainischen Opposition bekräftigt. 
 REISEN IM SOZIALISMUS 
 Wie kann man nun das Funktionieren der polnisch-ukrainischen Grenze in den 
  letzten fünfzig Jahren bewerten? Nach ihrer endgültigen Festlegung im Jahre 
  1947 wurde sie schnell für einige Jahrzehnte zur faktischen, sehr undurchlässigen 
  Grenze. Eine Fahrt aus Polen in die Ukraine konnte bis 1991 (also bis zum Ende 
  der Sowjetunion) nur auf der Grundlage von Einladungen zur Erledigung von Familienangelegenheiten 
  erfolgen, wobei sich die polnischen Passbehörden bemühten, solche Kontakte nach 
  besten Kräften einzuschränken. Je nachdem, ob in der UdSSR gerade Tauwetter 
  oder Eiszeit herrschte, waren diese Einschränkungen schwächer oder stärker. 
  Am schwierigsten war es in der stalinistischen Periode, die Grenze zu überqueren. 
  Jeder Reisewillige wurde sehr genau vom Geheimdienst überprüft und erhielt nur 
  unter großen Schwierigkeiten eine Ausreisegenehmigung. 
  Später wurde die Praxis dann zwar vergleichsweise liberaler, doch immer noch 
  war jeder polnische Bürger verpflichtet, sich nach seiner Ankunft an seinem 
  ukrainischen Reiseziel bei der Miliz zu melden. Er durfte sich nur dort aufhalten, 
  wohin er eingeladen war, durfte nur auf genau festgelegten Trassen reisen und 
  musste das Land an dem Tag verlassen, an dem seine Einladung endete. Zur damaligen 
  Zeit waren es meistens polnische Bürger ukrainischer Nationalität, die die Grenze 
  überschritten, weil vor allem sie ihre Ausreise mit der Notwendigkeit von Familienbesuchen 
  und der Erledigung von familiären Angelegenheiten begründen konnten. 
  Ohne größere Probleme reisten die Vertreter der staatlichen Behörden und der 
  Partei zu ihren offiziellen Besuchen und gemeinsamen Parteischulungen, und verhältnismäßig 
  leicht hatte es auch die Jugend, wenn sie sich im Rahmen des soziali-stischen 
  Jugendaustauschs ins jeweils andere Land begab. Erst in den 70er und 80er Jahren 
  nahm die Anzahl der von polnischen Reisebüros organisierten Ausflüge zu, doch 
  nur diejenigen konnten davon Gebrauch machen, die es sich durch gesellschaftliche 
  Arbeit, gute Noten im Studium oder ein gutes Arbeitszeugnis verdient hatten. 
 Für viele polnische Normalbürger bestand die einzige Möglichkeit, ohne Einladung 
  in die Ukraine zu kommen, in der Teilnahme an einem der sogenannten Freundschaftszüge, 
  also an organisierten Eisenbahnfahrten, die auf genau vorher definierten Trassen 
  und mit einem festgelegten Programm stattfanden und die dazu dienen sollten, 
  den Reisenden die Errungenschaften des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR 
  und die Höherwertigkeit des dort herrschenden Systems vor Augen zu führen. Für 
  die meisten polnischen Bürger waren diese Reisen allerdings aus anderen Gründen 
  attraktiv, weil sie nämlich eine Möglichkeit boten, Waren zu kaufen, die in 
  Polen mangelten oder zu teuer waren. Ein sehr populäres Mitbringsel war damals 
  z.B. Goldschmuck. Auf diese Weise finanzierten sich die Reisenden nicht nur 
  die Reisekosten, sondern verdienten auch noch etwas dazu. Individueller Tourismus 
  existierte damals überhaupt nicht. 
 Nach dem Entstehen der Solidarnosc-Bewegung 1980 wurde die polnisch 
  sowjetische Grenze vollständig abgeschottet. Diese Sperre (am schärfsten während 
  des Kriegszustandes vom 13.12.81 bis zum 22.7.83) dauerte fast bis Mitte der 
  80er Jahre. Erst in der zweiten Hälfte der 80er kam es unter Gorbatschows Perestrojka 
  zu einer gewissen Liberalisierung der Reisemöglichkeiten in die UdSSR, und man 
  konnte sich in der Ukraine einigermaßen frei bewegen. 1990 genügte bereits eine 
  Einladung irgendeiner in der Ukraine aktiven gesellschaftlichen Organisation. 
  So konnte auch ein breiterer polnisch-ukrainischer Kulturaustausch stattfinden, 
  obwohl er natürlich immer noch offiziellen Charakter trug und vom Staatsapparat 
  kontrolliert wurde. Auch reisten viele Polen damals in die Ukraine, um sich 
  dort mit den billigeren Konsum und Industrie-Artikeln einzudecken, was wiederum 
  Proteste der Ukrainer zur Folge hatte, für die solche Waren knapp wurden, und 
  man übte Druck aus auf die Zollbehörden, um die Ausfuhr ukrainischer Produkte 
  möglichst einzudämmen. 
 NACH DER WENDE
 Nach der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung (16.7.1990) und dem staatlichen 
  Unabhängigkeitsakt (24.8.1991) kommt es zu einer weiteren Liberalisierung der 
  Grenzkontrollen. Polen hat damals als erstes Land die Ukraine anerkannt, und 
  zwar schon am zweiten Tag nach dem Referendum, das am 1.12.1991 durchgeführt 
  wurde. Seither bestätigt die polnische Seite bei jeder Gelegenheit, sowohl bei 
  offiziellen Anlässen, als auch bei Begegnungen mit ukrainischen Politikern die 
  Unveränderbarkeit der polnisch-ukrainischen Grenze, so z.B. während des Polenbesuchs 
  des ukrainischen Premiers Witold Fokin am 1.10.1991 oder auch beim Besuch des 
  ukrainischen Verteidigungsministers Konstantyn Moroz am 14.1.1992. Schließlich 
  wurde dann am 18.Mai 1992 in Warschau ein Vertrag über gutnachbarschaftliche 
  Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen Polen und der Ukraine geschlossen, 
  in dem es wörtlich heißt, dass die bestehende und im Gelände delimitierte 
  Grenze von beiden Seiten als unverletzlich anerkannt wird. Beide Seiten bestätigen 
  gleichzeitig, daß sie keinerlei territoriale Ansprüche erheben und auch in Zukunft 
  nicht erheben werden.
 Dieser Vertrags-Passus bezeichnet nicht den Beginn, sondern den Abschluss eines 
  Prozesses, der längst in der polnischen Gesellschaft Wurzeln geschlagen hatte. 
  Polen hat den Grenzverlauf der polnisch-sowjetischen, und dann vor allem (seit 
  1991) der polnisch-ukrainischen Grenze mit der Zeit akzeptiert. Öffentliche 
  Äußerungen, die den Grenzverlauf in Frage stellen, kommen praktisch nicht vor, 
  nicht einmal in den sogenannten Landsmannschaften, die gern das Wort 
  ergreifen, wenn es um den Schutz des polnischen Kulturerbes und der historischen 
  Monumente in der Ukraine geht. 
 Es gibt in Polen allerdings bei Leuten mit geringem Bildungsniveau gewisse 
  Ängste vor einem ukrainischen Revisionismus. So kommt es dann, dass politisch 
  schlecht informierte Kreise oder zweitrangige Provinz-Zeitungen Nachrichten 
  aus der Ukraine von sporadischen polenfeindlichen Zwischenfällen hochspielen. 
  So z.B. als vor einigen Jahren auf dem Kongreß der ukrainischen Nationalbewegung 
  RUCH die Wappen von Przemysl und Chelm gezeigt wurden. Anti-ukrainische politische 
  Kreise in Polen haben versucht, diesen Vorfall aufzubauschen, obwohl man auch 
  in Polen weiß, dass RUCH eine weit vom Grenzrevisionismus entfernte Gruppierung 
  ist. Gefährlicher waren da schon einige Artikel, die in ukrainischen Zeitschriften 
  wie NAZIONALIST und UKRAIJINSKYJ TSCHAS veröffentlicht wurden. Die letztere 
  veröffentlichte 1991 eine Landkarte, auf der das ukrainische Territorium bis 
  tief nach Polen hinein reicht. Der begleitende Text propagierte die Idee, die 
  Ukraine könne ihre volle Staatlichkeit erst dann erreichen, wenn sie sich die 
  noch fehlenden Territorien einverleibt hätte, auf denen in der Vergangenheit 
  einmal Ukrainer gelebt haben. Obwohl beide Zeitschriften nur kleine Auflagen 
  und eine minimale politische Bedeutung haben, trug das Echo ihrer Publikationen 
  in Polen  besonders bei schlecht informierten Lesern  zur Überzeugung bei, 
  die Ukraine akzeptiere die Grenze mit Polen nicht. Diese Meinung wurde und wird 
  allerdings weder von den Entscheidungsträgern des polnischen politischen Lebens 
  noch von den Intellektuellen geteilt. 
 Auf die neuen Entwicklungen im Grenzgebiet hatten auch Vereinbarungen und Verträge 
  Einfluss, die auf lokaler Ebene zwischen Vertretern der Gebietskörperschaften 
  und der Selbstverwaltung geschlossen wurden. Das erste Abkommen dieser Art wurde 
  bereits nicht ganz drei Wochen nach dem Referendum über die Unabhängigkeit der 
  Ukraine unterzeichnet, und zwar am 18.Dezember 1991 in Tomaszow Lubelski zwischen 
  den vier Woiwoden von Chelm, Zamosc, Przemysl und Krosno auf der einen, sowie 
  den beiden Vertretern der ukrainischen Regionalratsvorsitzenden (Obwod) von 
  Lemberg und Wolhynien auf der anderen Seite. Ziel des Abkommens Über die 
  Zusammenarbeit zwischen den grenznahen Wojwodschaften und den Regionen (OBWOD) 
  Polens und der Ukraine war es, Rahmenbedingungen für eine grenznahe Kooperation 
  auf allen Ebenen zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde eine gemischte Kommission 
  gebildet, deren Aufgabe es war, die Vorschriften für Wirtschaftsbetriebe zu 
  analysieren, die Telefonverbindungen zu verbessern und den Grenzverkehr zu erleichtern. 
 Große Hoffnungen auf eine Belebung der Kontakte in der Grenzregion verband 
  man auch mit der Gründung des INTERREGIONALVERBANDES EUROREGION KARPATHEN am 
  14.Februar 1993, dessen Signatare Polen, die Ukraine, Ungarn und die Slowakei 
  wurden. Leider stieß diese Initiative in der Slowakei und in Polen auf gewisse 
  Widerstände bei der Bevölkerung, die von den Rechtsparteien noch angeheizt wurden, 
  da diese in den übernationalen Strukturen, die nur Teile der beteiligten Länder 
  einschlossen, eine Bedrohung für die Integrität ihres staatlichen Territoriums 
  sahen. Außerdem hatten anfänglich Polen und die Ukraine gar keine gemeinsame 
  Grenzlinie im Rahmen der Euroregion  dazu kam es erst, als dann auch der Oblast 
  Lemberg beitrat. 
 Weiterhin wurden zwei Abkommen zur Regelung bestimmter Bereiche des gesellschaftlichen 
  Lebens abgeschlossen: 
  am 28.Juni 1993 über die Bekämpfung von Gefahren nach Naturkatastrophen (zwischen 
  dem Woiwoden von Przemysl und dem Chef der Zivilverteidigung der Lemberger Region), 
  und 
  am 21.November 1994 über polnisch-ukrai-nische Zusammenarbeit im Bereich 
  des Tourismus. 
 Die nächste Etappe im grenzüberschreitenden Verkehr war eine Reihe von Verträgen 
  zwischen den Woiwoden und Regionchefs der Grenzregion. Dem folgten Vereinbarungen 
  zwischen den Kommunen, wie z.B. am 10.Juni 1995 zwischen den Bürgermeistern 
  von Przemysl und Lemberg. 
 Die abgeschlossenen Verträge lassen allerdings einiges zu wünschen übrig. Sie 
  wirken sich zu langsam aus und haben es bisher noch nicht geschafft, die aus 
  sowjetischen Zeiten stammenden Relikte zu beseitigen und an der Grenze einen 
  den europäischen Normen entsprechenden Personen und Warenverkehr zu etablieren. 
  Die Gründe dafür sind vielfältig: 
  Sowohl Ukrainer als auch Polen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten 
  daran gewöhnt, dass auch die grenznahe Zusammenarbeit nur über den Umweg zur 
  Zentralmacht stattfinden kann und darf, denn damals wurden alle lokalen Initiativen 
  von der Zentralmacht in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. 
  Die Grenzbehörden wurden darauf getrimmt, in jedem Grenzgänger einen potentiellen 
  Verbrecher zu sehen, umso mehr, weil die Versorgungsmängel in jedem Land dazu 
  führten, dass jeder Reisende Waren einführte, die im Einreiseland eben Mangelware 
  waren. 
 Diese Angewohnheiten, dazu der häufige Mangel an Höflichkeit und Korrektheit 
  von Seiten der Zöllner und Grenzschützer, verschwinden nur sehr langsam, da 
  ja viele der Beschäftigten ihren Beruf in den kommunistischen Zeiten gelernt 
  hatten. Auf der ukrainischen Seite sind bis heute noch zahlreiche Bestimmungen 
  aus den sowjetischen Zeiten in Kraft. 
 Die polnisch-ukrainische Grenze leidet auch an einem Mangel an Grenzübergängen. 
  Die bestehenden Übergänge bedürfen dringend der Erneuerung, weil sie zu Zeiten 
  entstanden sind, als der Grenzverkehr sehr eingeschränkt war. Heute sind sie 
  nun nicht mehr imstande, den mächtig angeschwollenen Reiseverkehr problemlos 
  zu bewältigen. So dauern die Zoll und Einreiseformalitäten sehr lange. Zudem 
  gelten alle bestehenden Übergänge ausschließlich als Kontrollpunkte für den 
  rollenden Verkehr. Daß man sie bis heute noch nicht zu Fuß überqueren kann, 
  erscheint geradezu absurd. Besonders für Menschen, die in der unmittelbaren 
  Grenzregion leben, ist das eine einschneidende Behinderung. Die schwierige finanzielle 
  Lage beider Staaten hat dazu geführt, daß die bestehenden Pläne zur Erweiterung 
  und Modernisierung der Grenzübergänge nur sehr langsam verwirklicht werden. 
  Gewisse Hoffnungen setzt man auf die geplante Ost-West-Autobahn, und die Woiwodschaft 
  Przemysl rechnet für den Fall, daß das Projekt realisiert wird, mit einer wirtschaftlichen 
  Belebung. Deshalb wurde 1995 auch die ZOLLFREIE ZONE MEDYKA-PRZEMYSL ins Leben 
  gerufen. 
 Ungeachtet der oben angeführten Probleme haben die Liberalisierung an der Grenze 
  und die vermehrte Ausgabe von Reisepässen in der Ukraine zu einem dramatischen 
  Anwachsen des individuellen Reiseverkehrs geführt, der zum größten Teil von 
  den Kleinhändlern genutzt wird. Auf der polnischen Seite gibt es praktisch keine 
  Beschränkungen für die Einreise von Ukrainern. Zwar wurden in den letzten Jahren 
  Stimmen laut (vor allem aus dem Lager der polnischen Christnationalen), die 
  sich für eine Begrenzung der Einreise aussprachen, doch entsprang das nicht 
  politischen Überlegungen, sondern ganz allgemein der Furcht vor Straftaten, 
  die von Ausländern begangen werden. Ähnliche Stimme konnte man auch hören, als 
  in der Ukraine eine Cholera-Epidemie ausbrach. 
 Die Forderungen nach neuerlichen Einschränkungen an der Grenze wurden bisher 
  nicht berücksichtigt, denn das polnische Außenministerium steht auf dem Standpunkt, 
  dass auch an der Ostgrenze möglichst westeuropäische Regelungen gelten sollten. 
 Bisher fanden die individuellen Reisen von Ukrainern nach Polen und von Polen 
  in die Ukraine auf der Grundlage von individuellen oder dienstlichen Einladungen 
  statt. Die letzteren waren leicht zu erhalten, es genügte der Stempel irgendeiner 
  legalen Organisation. Außerdem konnte man zu einem geradezu symbolischen Preis 
  eine getürkte Einladung kaufen. Am 17.September 1997 trat nun das Abkommen 
  über den visafreien Reiseverkehr zwischen Polen und der Ukraine in Kraft, 
  d.h. die Bürger beider Staaten können die Grenze ohne Visa mit einem gültigen 
  Reisepass überschreiten und sich danach maximal 90 Tage im anderen Land aufhalten 
  oder im Transit weiterreisen. Nur noch für längere Aufenthalte sind Visa vorgeschrieben. 
 Analysiert man den Reiseverkehr in den letzten Jahren, so fällt ein starker 
  Rückgang der Reisen polnischer Bürger in die Ukraine auf, während die Zahl der 
  nach Polen einreisenden Ukrainer ständig steigt. 1995 überquerten 3.400.000 
  Menschen den größten Grenzübergang in Medyka in beide Richtungen. Bei der Einreise 
  wurden 1.500.000 Ausländer und 100.000 Polen gezählt, bei der Ausreise 1.700.000 
  Ausländer und ebenfalls 100.000 Polen. Ähnliche Relationen finden wir an den 
  anderen Übergängen. Im Jahr 1996 betrug die Gesamtzahl der grenzüberschreitenden 
  Personen 10.600.000. Der Reiseverkehr nimmt ständig zu. Im Verhältnis zu 1995 
  um 10,4%, im Verhältnis zu 1994 um 60,5%. 
 SCHLUSSFOLGERUNGEN 
 1. Obwohl die polnisch-ukrainische Grenze Polen durch die Staaten der Anti 
  Hitler-Koalition unter Umgehung der legalen polnischen Regierung aufgezwungen 
  worden ist, wird sie heute von der polnischen Gesellschaft ohne Einschränkung 
  akzeptiert. Unter den zahlreichen Faktoren, die zu dieser Akzeptanz geführt 
  haben, sind hervorzuheben insbesondere die Umsiedlung der Polen aus den ukrainischen 
  Gebieten nach Polen und die Umsiedlung der Ukrainer aus Polen in die Ukraine, 
  sowie die Begründung des Grenzverlaufs mit historischen und ethnographischen 
  Argumenten. Außerdem sorgte die Zusammenarbeit der antikommunistischen Opposition 
  beider Länder und die Loslösung beider Staaten aus der Moskauer Abhängigkeit 
  für eine Akzeptanz dieser Grenze. 
 2. Zu sowjetischen Zeiten war die polnisch-ukrainische Grenze eine Barriere, 
  die den freien Austausch von Menschen, Waren und Gedanken behinderte. 
 3. In den Jahren 1989 bis 1991 begann die Funktionsveränderung der Grenze, 
  von einer schrittweisen Liberalisierung bis zum visafreien Reiseverkehr heute. 
 4. Um weitere Fortschritte zu erreichen, ist es notwendig, die Zahl der Grenzübergänge 
  zu erhöhen, die bestehenden Übergänge zu modernisieren und die Grenzbehörden 
  besser auszubilden. 
 5. Die polnisch-ukrainische Grenze wird in der Zukunft eine bedeutende Rolle 
  für Kommunikation und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Europäischen 
  Union und Osteuropa spielen.
         (aus dem Polnischen von Olha Sidor)
          
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     11 1997 |