previous article
next article
to main page

Yvan Goll

Die Aschenhütte

Wir hatten kein Haus wie die andern an sicherem Berghang
Wir mußten immer weiterwandern
Im Schnee der weder Salz noch Zucker war
An runden Kegeln des Mondes entlang

Du riefst nach deinen Schutzvögeln
Die hoch im Äther zu den Gräbern Afrikas flogen
Die Straße des Vergessens machte große Schleifen
Und keine blasse Blume sann am Weg

Gen Mitternacht fand ich eine Aschenhütte
Man hörte das lachende Bellen der Wölfe
Mit Fackeln hielt ich sie fern
Und fing im Nesselbach einen Ölfisch
Der uns lange erwärmte
Breit war das Bett aus geschnitztem Schnee

Und da geschah das Wunder:
Dein goldener Leib erstrahlte als nächtliche Sonne

(aus: Traumkraut, 1941-1949)

In Jeder Amsel Hab Ich Dich Geliebt

In jeder Amsel
Hab ich dich geliebt
In jedem Windstoß
Hab ich dich gespürt

Am Rand der Gletscher standen wir
Herz in Herz
Im Wüstendorn scheuchten wir den Skorpion
Hand in Hand

Vorm Straßburger Münster
Sangen wir dem Abend ein Lied
Mund an Mund

Weh, auf dem einsamen Weg zum Schlaf
Strauchelt ich
Und versank

(aus: Neila, 1947/48)


N12 / 1998

12

1998