André Weckmann
speak white
redd wiss
neger
wiss esch scheen
wiss esch nowel
wiss esch gschit
wiss esch franzeesch
franzeesch esch wiss
wiss un chic
elsasser
elsassisch degaje
net
zall esch brimitiv
vülger
pfui!
drum redd wiss
neger
illneger brischneger moderneger
drum redd wiss
wiss wi z bariss
un dunk dini negersproch
en formol
un schank se em müseum
drum redd wiss
meger
dass d wiss wursch
andli
wiss un gschit
wiss un chic
wiss wi z bariss
***
wesse welle mer was mer sen gesen
wesse welle mer wer mer sen
eerscht no kenne mer bstemme
was mer welle ware
paradoxon
was seid ihn nun?
het de schwob gfroit:
Franzosen oder Elsässer?
Elsasser
het de elsasser xait
also seid ihr keine Franzosen
het de schwob xait
un esch d deer nüsgflöje
wurzel un witte
wàs nutzts mi
dàssi àlli sprooche kànn
vàn de hettiter und de
àmerikàner
wàs nutzts mi
dàssi mem marxmao
un de neje filosofe
zooweds de waltgäischt
durich d stubb drool
wàs nutzt mi
des àlles
wanni nem mem
noochber
ewer de gàárdezün newer
ratsche kànn
wàs nutzts mi
dàssi mem noochber
àm gààrdezün
ratsche kànn
wàs nutzts mi
dàssi met minere sprooch
d gerànie spranz
àm fanschter
wàs nutzts mi
dàssi fer wàrm ze hàn
mer d haemet nemm àls
bettflàsch
wàs nutzt mi
des àlles
wanni debii vergess
wie mr met de
walt redd
DICHTER SEIN IM ELSASS
Es geht uns darum, dem Menschen, der im Elsass mit einer existenziellen
Frage konfrontiert ist, Überlebenshilfe zu geben, ihm zu helfen,
seine Substanz zu retten und seine Identität wiederzufinden. Denn
nur wer weiss, wer er ist, nur wer sein Gleichgewicht gefunden hat,
nur wer tiefe Wurzeln hat, kann sich frei entfalten, ist stark genug,
sich selbst zu verwalten und seine kulturelle und soziale Zukunft selbst
zu bestimmen.
Wir wollen nicht zu angepassten, auswechselbaren, neutralen Schemen
werden. Wir wollen unseren Riesling nicht gegen ein Allerweltsbräu
eintauschen.
Wir wollen aber auch nicht in eine museale Vergangenheit zurückemigrieren.
Die Deutschtümelei, an deren giftigen Früchten wir lange zu
verdauen hatten, ist uns endgültig zuwider.
Wir wollen endlich das sein, frei und ganz das sein, wovon wir schon
so lange träumen: mündige alemannische Franzosen, mündige
französische Alemannen.
Die Hauptbedingung zur Verwirklichung dieses Wunschtraums ist - so
paradox das für ein- oder hochsprachige Beobachter klingen mag
- dass der Dialekt das Fundament unserer kulturellen Existenz bleibt.
Denn ohne ihn, der die wichtigste und originellste Ausdrucksform unserer
Persönlichkeit ist, ginge unsere Eigenart verloren. Und ohne ihn
wäre keine echte französisch-deutsche Zweisprachigkeit möglich.
Er steht vor den beiden Hochsprachen nicht als Feind, sondern als Partner,
der sich im französischen Staatsraum bewegt als Regionalsprache
und der zudem die Tür gross öffnet zur deutschen Standardsprache,
also zur gesamtdeutschen Kulturwelt. Es handelt sich also nicht darum,
das Elsass in seiner Bodenständigkeit abzukapseln und verspiessern
zu lassen. Es sollen vielmehr die vielgestaltigen Möglichkeiten,
die diese Provinz bietet, dazu benutzt werden, unsere Horizonte zu weiten.
Denn elsässische Zweisprachigkeit soll Verwurzelung und Weltoffenheit
zugleich sein.
Auszug aus der Rede bei der Verleihung des (badischen) Hebel-Preises
1976
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