Redaktiongruppe:

Taras Woznjak (Herausgeber)
Andrij Pawlyschyn
Sofia Onufriw (Kuratorin)
Walter Mossmann (Kurator)
Jurij Babik
Andrij Kyrtschiw
Walter Kaufmann
Stanislaw Stepien

Unabhaengige Kulturzeitschrift “JI”
20 / 2001
Ukraine - EU. Grenze 2000 + ?

Dieses Heft erschien in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin)
und dem Kulturamt der Stadt Freiburg

 
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ukr (PDF 2,82 Mb)

INHALT

(alle Texte ukrainisch, polnisch, deutsch, französisch)

Walter Mossmann: Vorwort zu Journal 20 «UKRAINA – EU GRENZE: 2000 + ?»

Zunächst (1989) eine simple Städtepartnerschaft zwischen Freiburg im Breisgau (damals noch BRD) und Lemberg (damals noch UdSSR), dann im Laufe der 90er Jahre, als der Eiserne Vorhang aufgezogen wurde, ein erstaunlich reger Kulturaustausch zwischen den beiden Städten – Diskussionen, Befremdungen, Staunen, Verwirrung, Missvertändnisse und trotz alledem auch lustvolle und produktive Zusammenarbeit – und schließlich das Projekt «Gespräch über Grenzen», will sagen: zwei europäische Grenzregionen begegnen sich, die deutsch-französische am Oberrhein und die polnisch-ukrainische an den Flüssen San und Bug. Die beiden ersten Meetings 1997 in Freiburg und 1998 in Lwiw wurden organisiert von der Gruppe um die ukrainische Kulturzeitschrift «Ï» und der freiburger West-Ost-Gesellschaft und gefördert von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Kulturamt der Stadt Freiburg. Die Materialien veröffentlichte «Ï» in zweisprachigen Sonderheften.

Im Laufe der späten 90er Jahre verschoben sich die Akzente. Nicht mehr bloß eine östliche und eine westliche Region begegnen sich, sondern eine zentrale und eine marginale, eine grenzenlos integrierte und eine aufs neue, diesmal durch die EU-Außengrenze, zerschnittene. Die aktuellen Probleme also der EU-Osterweiterung bestimmen inzwischen unsere Arbeit und das Thema des dritten «Gesprächs über Grenzen» – 22. bis 25. Mai 2001: WAS FOLGT AUF DIE OSTERWEITERUNG DER EUROPÄISCHEN UNION? – DER FALL UKRAINE/POLEN.

Für dieses Meeting haben wir einen Teil der Materialien von 1997 und 1998 – verstanden als Vorarbeiten für die heutige Debatte – zusammengestellt und in die vier Konferenzsprachen übersetzen lassen.

Als Einführung in die Ost-West-Problematik ein Essay von Mykola Rjabtschuk Der Zaun von Metternichs Garten  und Gespräche mit Jurko – ein deutsche Alt-68er und ein junger ukrainischer Nationalist versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Ergebnis bei Rjabtschuk: Es scheint so, als ob für Europa sein Osten immer noch A desert shore sei, sehr unbekannt und hervorragend geeignet für allerlei Projektion, eine alte Gewohnheit, wie schon die deutschen Polenbilder aus dem 19.Jahrhundert (Platen, Heine) mit ganz unterschiedlichen Färbungen zeigen.

Mit der Vergangenheit und Zukunft der polnisch-ukrainischen Grenze beschäftigen sich aus polnischer Sicht Stanislaw Stepien/Anna Rogowska, Tadeusz Olschanski und Klaus Bachmann. Adam Zagajewski’s Poem thematisiert Lemberg als Inbegriff der verlorenen Ostgebiete. Und auf dem Cover schließlich zeigen wir das Portrait eines bedeutenden polnischen Grenzgängers, des Verlegers und Publizisten Jerzy Giedroyc (1906-2000), der als Emigrant schon seit 1946 in Paris den polnisch-ukrainischen Dialog begann und somit auch die heutige polnische Ostpolitik vorbereitete.

Über einen ukrainischen Grenzgänger des 20.Jahrhunderts, den berühmten Metropoliten der griechisch-katholischen Kirche Andrej Scheptyckyj, schreibt Anna Veronika Wendland aus Leipzig, Oles Pohranytschnyj aus Drohobytsch über die absurden und seinerzeit alltägliche Erfahrungen an der sowjetischen Grenze, die wir Westler nie wahrgenommen haben, weil uns das Monstrum der Berliner Mauer die Sicht nach Osten versperrt hatte, und der lwiwer Historiker Andrij Pawlyschyn untersucht Perspektiven für eine Verständigung an der Grenze.

Aus dem anderen, dem westlichen europäischen Grenzland schreiben der freiburger Journalist Wolfgang Heidenreich über die widersprüchliche kulturelle und politische Dimension des grenzüberschreitenden Regionalismus (Mein Alemannien) und der Elsässer Jean Jacques Rettig über die dramatischen Ereignisse der 70er Jahre, als am Oberrhein die Geburt der europäischen Ökologie-Bewegung zu studieren war. Dazu eine Kalendergeschichte des regionalen Klassikers Johann Peter Hebel und Poeme von drei Dichtern in den drei Sprachen des Elsass: Hans Arp französisch, Yvan Goll deutsch und André Weckmann elsässisch. Dass andererseits das Problem der Vielsprachigkeit in der Ukraine mit der Vielsprachigkeit im Elsass überhaupt nicht zu vergleichen ist, zeigt die lwiwer Linguistin Emilja Ohar in ihrer Untersuchung Zweisprachigkeit in der Ukraine heute.

Schließlich über die heutige Ukraine, jenes große europäische Land, das sich für westlichen Beobachter immer auch als die große Unbekannte darstellt, ein Essay von Taras Wozniak: Das Projekt Ukraine – Bilanz eines Jahrzehnts.

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